Die Tugend der Pünktlichkeit hat Valon Shala verinnerlicht, seit er 1994 als zehnjähriger im Rahmen eines Familiennachzugs aus dem Kosovo in die Schweiz gezogen ist.
Sie hilft ihm heute, ein gutes Zeitmanagement einzuhalten. Denn als Fahrlehrer gehören sowohl die Einhaltung von Terminen mit Kunden als auch die genaue Kontrolle der Lektionsminuten zu seiner Visitenkarte. Zum Gespräch in der Bäckerei Frei in Döttingen erscheint er fünf Minuten früher als vereinbart. Es ist Montagnachmittag, vier Fahrlektionen hat er bereits hinter sich. «Wie viele Lektionen ich am Tag unterrichte, ist sehr unterschiedlich», sagt er.
Zufrieden ist er, wenn es am Ende der Woche rund 40 sind. Sein Kundenstamm kommt überwiegend aus dem Zurzibiet, vereinzelt hat er auch Kunden aus Brugg, Baden und Spreitenbach. Als Koblenzer ist er mit der Gegend vertraut und hat im Laufe der Jahre ein Gespür dafür entwickelt, wo sich am besten Autofahren üben lässt.
Er fand seine Erfüllung beim Autofahren
Sein Weg zum Fahrlehrer entstand aus einer Erkenntnis, die mit innerer Freude verbunden war. Ursprünglich machte Shala eine Lehre zum Tiefbauzeichner, weil er in der Schule ein Flair für naturwissenschaftliche Fächer hatte. Anschliessend überlegte er, eine Weiterbildung zum Techniker zu beginnen. Dabei fiel ihm jedoch auf, dass er grosse Erfüllung darin fand, anderen das Autofahren beizubringen – insbesondere, als er seinem Cousin und seinem Bruder Fahrstunden gab. Zusammen mit seiner ruhigen Art entstand so der Gedanke, Fahrlehrer zu werden.
Mit 24 Jahren wagte er schliesslich einen Neuanfang und startete die zweijährige Ausbildung zum Fahrlehrer – Unterricht war jeweils am Freitag und Samstag. Das Kapitel Tiefbauzeichner konnte Shala ohne eine Träne zu vergiessen hinter sich lassen: «Ich habe es ohne Wehmut hinter mir gelassen.» Zwar arbeitete er noch vier Tage die Woche in einem Ingenieurbüro, um Geld für seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Aber nachdem er 2011 seinen Abschluss hatte, nahm er sich vor seine eigene Fahrschule aufzubauen. Bis zu seinem ersten Fahrschüler am 12. Januar 2012, sammelte er als Praktikant in einer Fahrschule in Wohlen Erfahrung.
Politik erliess zwei schmerzhafte Gesetze
Aktuell ist er mit einem roten Auto unterwegs, ein Mazda, die Farbe hebt sich von der Masse ab, die weissen und gelben Lettern «Fahrschule Shala» sind gut zu lesen. Es ist bereits das fünfte Auto in seinen 13 Jahren als selbstständiger Fahrlehrer. Die mehreren zehntausend Kilometer pro Jahr, die er mit seinen Fahrschülern zurücklegte, blieben nicht unbemerkt.
Doch auch das Eingreifen der Politik in die Branche in den letzten Jahren hat seinen Tribut gefordert. «Sie hat uns da einen Strich durch die Rechnung gemacht», sagt Shala. Damit meint er zwei Ereignisse, die in den letzten Jahren im Kreis der Fahrlehrerszene für Kritik gesorgt haben. Da war einerseits die Gesetzesänderung von 2019: Im Kern erlaubte sie Personen, die ihre Fahrprüfung mit einem Automatikgetriebe abgelegt hatten, auch Fahrzeuge mit Schaltgetriebe zu bedienen. Shala reagierte darauf, indem er ein Automatikauto anschaffte. Seinen Schaltwagen behielt er jedoch noch – und trennte sich erst im November 2024 endgültig davon. Der Trend gab ihm recht: der Grossteil der Prüfungen wird heute auf Automatikautos absolviert.
Ein nächster Dämpfer folgte zwei Jahre später mit einem neuen Gesetz, das Jugendlichen bereits mit 17 Jahren erlaubt, einen Lernfahrausweis zu beantragen. Ziel war, dass sie bis zur regulären Prüfung mit 18 Jahren mehr Fahrpraxis sammeln. Daher wird der Gang in die Fahrschule meist nur noch als Prüfungsvorbereitung genutzt. «Zudem wird die Sache dadurch erschwert, dass immer mehr Fahrschulen gegründet werden. Der Konkurrenzdruck hat zugenommen, und es gibt weniger zu tun», sagt Shala.
Strassenverkehr wird unberechenbarer
Davon lässt er sich aber nicht unterkriegen. «Ich bin offen und kann mich gut an neue Situationen anpassen», sagt Shala. Das Wichtigste sei, gute Arbeit zu leisten. Die Erfolgsquote seiner Fahrschüler lässt sich sehen: Rund 70 Prozent bestehen die Fahrprüfung beim ersten Anlauf. Was dem 41-Jährigen auf der Strasse auffällt: «Das Verkehr- und Stauaufkommen hat zugenommen, die Autolenker sind ungeduldiger und unaufmerksamer geworden.» Umso mehr ist Shala gefordert den Überblick zu behalten.
Und inzwischen ist die Verantwortung auch privat gestiegen, seit er vor acht Monaten zum ersten Mal Vater wurde. Jetzt muss er aber los. Um 16 Uhr wartet der nächste Fahrschüler, er möchte pünktlich sein.
