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KLINGNAU

«Wenn nicht jetzt, wann dann?»

Seit drei Jahren arbeitet Dominique Häfeli im Familienunternehmen Häfeli-Brügger mit. Bis Ende Jahr wird die 33-Jährige sich entscheiden, ob sie bald als Vertreterin der vierten Generation die Führung übernehmen will.
Häfeli-Brügger Familienbetrieb
Walter und Dominique Häfeli am Firmensitz von Häfeli-Brügger.

«Für Deutsch wählen Sie bitte die 1, pour le français le 2, per l’italiano il 3.» So wird begrüsst, wer die Hauptnummer der Klingnauer Häfeli-Brügger AG wählt. «Wir haben halt Kunden aus der ganzen Schweiz», erklärt Walter Häfeli, Geschäftsführer und Verwaltungsratspräsident. Garagenbetriebe verschiedener Marken melden sich telefonisch, wenn ihr Lager voll ist und abgenutzte Reifen, Altöl oder zerbeulte Kotflügel abgeholt werden sollen.

Fuhrhalterei mit Kiesgrube

«Es gibt in der Schweiz wohl keine zweite Firma wie unsere», sagt der 63-Jährige über das Unternehmen, das 1929 von seinem Grossvater Ernst Häfeli und seiner Grossmutter Berta, geborene Brügger, gegründet wurde. Schon von Anfang an war es nicht nur eine Fuhrhalterei: Ross und Wagen kamen auch in der eigenen Kiesgrube am Höngerrain zum Einsatz um Kies für den Strassenbau und die Betonproduktion zu liefern. Gleich nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der erste Traktor angeschafft, bald darauf die ersten Lastwagen. Immer wieder erschloss sich die Firma neue Geschäftsfelder, wurde zum Tiefbau-Unternehmen, verarbeitete Holzrinden und später Grünabfälle zu Gartenkompost. Auch im Recycling von Glas und Kunststoff hat Häfeli-Brügger Pionierarbeit geleistet.

Breit aufgestellt

Heute zählt das Unternehmen 90 Mitarbeitende. Transporte sind nach wie vor ein wichtiges Standbein. Beim Recycling reicht die Palette von regionalen Sammelstellen für Privat- und Gewerbekunden bis zur Zementindustrie, an die alternative Brennstoffe geliefert werden. «In vielem sind wir antizyklisch unterwegs», sagt Walter Häfeli «und dass wir so breit aufgestellt sind, hat uns immer wieder geholfen. Wenn es in der Papierbranche schlecht lief, hatten wir zum Beispiel mehr Aufträge in anderen Bereichen.»

Eine Konstante dabei: Die Führung lag immer in Familienhand und wurde jeweils schrittweise an die nächste Generation übergeben. Manchmal teilten sich auch Brüder oder Onkel und Neffen die Verantwortung. Seit dem Austritt seines Vaters Rudolf (1934–2015) im Jahr 2009 leitet Walter Häfeli die Firma alleine, seine Frau Myrta arbeitet als Personalchefin.

Als drittes Familienmitglied im Betrieb aktiv ist seit Juli 2022 Tochter Dominique Häfeli. Die gelernte Hochbauzeichnerin hatte zuvor im Marketing gearbeitet, zuletzt bei den Avarel-Studios, wo sie unter anderem Internetseiten für Firmenkunden konzipierte und als Projektleiterin in der Geschäftsleitung sass.

«2016 hatten die Eltern mich und meine zwei Jahre ältere Schwester Joelle schon einmal gefragt, ob wir in den Familienbetrieb einsteigen möchten», erinnert sich die 33-Jährige. Für beide sei dies damals nicht infrage gekommen. Joelle, die Köchin gelernt hatte, sei inzwischen, nach mehrjähriger Weiterbildung, glücklich als Sozialpädagogin tätig.

Dominique startete ihren Berufsweg als Hochbauzeichnerin – eine spannende und lehrreiche Zeit. Später sammelte sie in der Werbebranche weitere wertvolle Erfahrungen. Ihre Interessen lagen schon früh im kreativen Bereich. Später wuchs dann auch der Bezug und das Interesse zum Betrieb.

Den Betrieb digitalisieren

«Ich habe gemerkt, dass es für mich gar nicht so entscheidend ist, in welcher Branche ich tätig bin. Vielmehr interessiert mich, wie ein Betrieb funktioniert und wie man ihn weiterentwickeln kann. Dies hat mir gezeigt, wohin mein beruflicher Weg wirklich führen soll», stellt Dominique fest. Seit ihrem Eintritt bei Häfeli-Brügger leitet sie ein grosses Digitalisierungsprojekt. «Ziel ist eine voll integrierte, digitale Lösung», erklärt Walter Häfeli. Bisher hätten viele Daten – zum Beispiel beim Wägen von Lastwagen mit Entsorgungsgütern – ausgedruckt und dann wieder in anderen Programmen eingegeben werden müssen. Neu sollen die Daten elektronisch in den verschiedenen Bereichen automatisch ausgetauscht werden können, sodass die Rechnungsstellung in Zukunft soweit möglich elektronisch erfolgt.

Auch die Kommunikation mit den Mitarbeitenden wurde umgestellt. Anstelle von Anschlagbrett, Mitarbeiterzeitung, WhatsApp oder E-Mail werden die Neuigkeiten jetzt über eine Smartphone-App verbreitet. «Es braucht eine gewisse Zeit bei den Mitarbeitenden für die Umgewöhnung», sagt Dominique Häfeli. Sie selbst habe in den letzten drei Jahren viel gelernt und viel praktische Erfahrung gesammelt im täglichen Betrieb. Als Unterstützung nimmt sie auch ab und zu die Lehrmittel der Lernenden im Beruf Recyclist EFZ zur Hand.

Längerfristig eine Führungsrolle

Unter Mitwirkung eines externen Coaches wurde der Anstoss zur Nachfolgeregelung gegeben – ein Prozess, an dem auch die gesamte Geschäftsleitung beteiligt war. Im Raum stand die Frage, ob Dominique Häfeli sich längerfristig eine Führungsrolle vorstellen könnte. Eine solche Entscheidung will gut überlegt sein: Die Übernahme eines Betriebs bedeutet grosse Verantwortung – für Mitarbeitende, für den Betrieb, und für die eigene Zukunft. «Wenn nicht jetzt, wann dann?», dachte sich Dominique. Und begann, die Herausforderung ernsthaft zu prüfen.

«Ich habe mir die Limite gesetzt, spätestens mit 70 Jahren die Leitung der Firma abzugeben», erklärt Walter Häfeli. «Ich bin noch fit und arbeite gerne über 65 hinaus», sagt der heute 63-Jährige «aber ich habe bei meinem Vater gesehen, dass es irgendwann schwierig wird, loszulassen.»

Wenn Dominique zusagt, soll sie schrittweise die Geschäftsleitung übernehmen. Eine Möglichkeit wäre, dass die bisherigen Bereichsleiter mehr Verantwortung übernehmen oder eine Co-Leitung geschaffen würde. Und auch die eine oder andere Weiterbildung wäre nötig. «Bei den Finanzen muss ich noch einiges lernen», sagt Dominique Häfeli. Schlussendlich gibt es in der Führung eines Unternehmens aber vieles, das man nicht in einer Ausbildung lernen kann: «In unserem Business braucht es viel Erfahrung», bringt Walter Häfeli es auf den Punkt.

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